Motiviert durch die Überlegungen von Richter, Riemer und Koch zum Jahresende 2010, habe ich den folgenden Absatz aus dem Abschnitt Einführungsstrategien aus Ehms 2010 (S. 148) herausgesucht.
Die Unternehmenskultur, gewissermaßen das kollektive Pendant zum Individualkonstrukt Motivation, zählt ebenfalls zu den häufig genannten Phänomenen im Zusammenhang mit Informationsaustausch, Wissensmanagement und jüngst mit den Entwicklungen um Enterprise 2.0. Auch hier sind begriffliche Missverständnisse an der Tagesordnung. Unternehmenskulturen sind kollektive, erlernte Deutungsmuster, die selten expliziert werden und die den Organisationsalltag durchdringen (Schein 1995, Johnson 1988).* Damit ist eine Organisationskultur nicht direkt, sondern nur mittelbar und insbesondere nur langsam zu verändern. Insofern stellt sich im Zusammenhang mit der Einführung technischer Systeme die Frage, welche Konsequenzen aus einer Berücksichtigung** der Organisationskultur letztlich zu ziehen wären. Eigentlich doch nur die, die Einführung ggf. zu unterlassen, was dann wiederum die Entwicklungsmöglichkeiten im Umgang mit den neuen Techniken verhindern würde, aber kurzfristig Kosten spart. Viel wesentlicher scheint mir zu sein, dass gerade durch das Schaffen neuer Möglichkeiten allmählich auch Veränderungen in der Organisationskultur stattfinden. Ein Kultur veränderndes Element bei der beschriebenen Einführung von Weblogs dürfte in der Botschaft bestehen, dass nun prinzipiell alle Mitarbeiter "im Intranet schreiben dürfen", ein Privileg, das bisher ausschließlich Intranet-Redakteuren vorbehalten war. Ob und wie sich eine solche Veränderung auf generellere Deutungsmuster im Organisationsalltag auswirkt, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden. Insofern sollte diese Anmerkung dazu dienen, den "Erfolgsfaktor" Kultur differenzierter wahrzunehmen und auch nicht über zu bewerten.
* Alternative Definition: "So machen wir das hier. - This is how we do things around here." (Bright & Parkin, 1997, zitiert in wikipedia: Organisationskultur).
** Zunächst müsste die herrschende Kultur treffend und im Hinblick auf das geplante Unterfangen zutreffend beschrieben werden, was eine komplexe Herausforderung an sich darstellt.
Referenzen
Schein, E. (1995). Unternehmenskultur: ein Handbuch für Führungskräfte. Frankfurt am Main: Campus.
Johnson, G. (1988). Rethinking Incrementalism. Strategic Management Journal, 9 (1), 75-91.
1. Alexander Stocker (anonymous), Jan 3, 2011 5:47:42 PM #
Kultur, die große Unbekannte. Viele Grüße aus Graz, Alex
2. KE, Jan 6, 2011 1:06:17 PM #
Naja, in der Organisationslehre und in der Organistationspsychologie gibt es da seit Jahrzehnten Forschung und Konzepte die über ein Verständnis von "Kultur = Alles was nicht Technik ist" hinausgeht. Karsten
3. Alexander Stocker (anonymous), Jan 20, 2011 4:34:48 PM #
Glaub ich Dir. Aber diese scheinen den Beratern für IT-Projekte gänzlich unbekannt zu sein. Zu viel Schuld wird immer auf die "Kultur" geladen und nicht auf Teilaspekte davon. LG, Alex